Über uns der Himmel (Kristin Harmel)

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Autor: Kristin Harmel
Titel: Über uns der Himmel
Verlag: Blanvalet Taschenbuch Verlag
Erscheinungsdatum: 16. März 2015
Seitenzahl: 448
Originaltitel: The Life Intended
ISBN-10: 3442383331
ISBN-13: 978-3442383337

Rezension:

Als Katherine „Kate“ Beale, in „Über uns der Himmel“ von Kristin Harmel am Silvesterabend 1999 in Manhattan die Liebe ihres Lebens in Form ihres späteren Ehemann Patrick Waithman kennen lernt, ahnt diese nicht, dass ihr gemeinsames Glück nur von kurzer Dauer sein wird. Ihr Mann, der Kate immer den Rücken stärkte und sie dazu angehalten hat ihre Träume zu verwirklichen, so zum Beispiel auch von ihrem ursprünglichen Wirtschaftspsychologie-Studium auf Musiktherapie umzusatteln, suchte an diesem Spätsommermorgen des 11. September 2001 wie gewöhnlich den Bürokomplex in der Church, Ecke Liberty Street auf und verblieb letztendlich im Nordturm des World Trade Center.

Von den ersten schockierenden, sowie aufgrund der emotionalen Erinnerungen an die Bilder des Terrorattentates auf die Twin Towers tief berührenden Momenten des Romans, wird man nur wenige Seiten und dreizehn verstrichene Jahre später in die Gegenwart versetzt, in welcher Kate zwar oberflächlich betrachtet den Verlust ihres Mannes überwunden zu haben scheint und einen Heiratsantrag ihres neuen, vermeintlich perfekten, Partners Dan mit Zustimmung entgegennimmt, doch näher betrachtet fällt einem bereits hier ins Auge, dass auch diese Beziehung zum Scheitern verurteilt und Kate noch immer in ihrem eigenem Unglück gefangen ist.

»Vielleicht soll das Leben einfach kein Spaziergang sein. Vielleicht bekommt man die tollsten Dinge im Leben von den größten Herausforderungen.«

Denn fortan entwickelt und dreht sich die Geschichte beinahe ausschließlich um das Leben, das diese in einer Parallelwelt zusammen mit Patrick, als auch ihrer tauben Tochter Hannah hätte führen können und welches sich immer wieder durch ihre Träume einen Weg zu ihr bahnt. In der Realität der Protagonistin ist ihr Alltag hingegen von ihrem unerfüllten Kinderwunsch und dem unbewussten Drängen ihrer Familienangehörigen endlich ihre Vergangenheit fallen zu lassen, geprägt. Die einzige Ausnahme dazu stellt Patricks äußerst liebevoll und herzerwärmend beschriebene Mutter, Joan, und ihre beste Freundin Gina, die ebenfalls ihren Mann am elften September verlor, dar.

»Das Leben ist zu kurz, um seinen Träumen zum Glück nicht zu folgen.«

Doch die mystisch wirkenden Träume, in denen Halbwissen und Ahnungen, Anleihen in der reelen Welt von Kate finden, sind nicht nur sehnsuchtsvolle Ausblicke einer Was-wäre-wenn-Möglichkeit, sondern bieten der Hauptfigur mit der Zeit auch einen Anreiz ihren bisherigen Lebenslauf zu überdenken und diesen neu zu gestalten, so dass erstmals ein richtiges Erwachen aus der selbstgeschaffenen Lethargie möglich wird. Ebenso erkennt Kate schließlich, dass auch in der Traumwelt, zumindest beruflich, nicht alles perfekt ist und es immer die eigenen bewussten Entscheidungen sind und nicht das sich Arrangieren mit einer Situation ist, das schlussendlich Zufriedenheit schenkt.

»Ich tauche in die Flut ein, lasse mich von ihr mitreißen, bis ich mich zu fragen beginne, ob genau das vielleicht schon immer mein Fehler war. Vielleicht habe ich mich die ganze Zeit von der Flut treiben lassen, anstatt die Strömung zu nutzen, um mich in die Richtung zu bewegen, für die ich mich selbst entscheide.«

Ein Gebärdensprachkurs, die Motivation ein Pflegekind in Obhut zu nehmen, aber auch Andrew, seinerseits ein langsam aufgehender Stern in Kates Umlaufbahn, führen daher mit einigen Wendungen final zu einer modernen Version des klassischen Happy End.

New York, Liebe und eine gute Portion Musik – Was könnte es für bessere Grundlagen für einen bewegenden Roman geben…
… Nichtsdestotrotz gleicht nicht jeder Pianist einem Beethoven und auch das Buch war für mich leider, wirklich leider, ziemlich durchwachsen. Auf Basis der zahlreichen positiven Äußerungen bin ich, die den Debütroman der Autorin bisher nicht las, erst auf ihre zweite Erzählung aufmerksam und neugierig geworden.

Vielleicht habe ich prinzipiell zu viel erwartet, vielleicht beruht mein Verdruss aber auch auf dem Klappentext, welcher vordergründig die Nine-Eleven-Thematik zu betonen wusste. Der Anfang der Handlung weckt nämlich zweifellos bei jeden, der zum Zeitpunkt der Terroranschläge dazu fähig war die Auswirkungen und Tragweite der Ereignisse zu verarbeiten, alle einstig aufgekeimten Gefühle wieder. Wie die der Erschütterung, Fassungslosigkeit und natürlich auch der berührenden Anteilnahme. Kurzum: Niemand mit Herz und Verstand sollte das Schicksal der World-Trade-Center-Opfer, deren Angehöriger und die globalen Folgen kalt lassen. Allerdings und an dieser Stelle beißt die Maus keinen Faden ab, hat mich die Einführung des Buches aufgrund der unumgänglichen Hintergründe der jüngsten Geschichte und nicht wegen der Ausführungen der Ich-Erzählerin gerührt. Letzteres sollte jedoch, gerade wenn man ein solches Datum zum Anlass nimmt, einem Autor ebenso gelingen, denn anderseits zollt man diesem ‘zwieschneidigem Mammut-Thema’ meiner Meinung nach, einfach zu wenig Tribut. Einflechtungen von mehr persönlichen Erinnerungen, zum Beispiel der gemeinsamen Trauerarbeit von Kate und ihrer Freundin Gina, hätten die Erzählungen einer ‘Betroffenen’ authentischer erscheinen lassen und vielleicht mehr echte emotionale Tiefe geschaffen. Aber das ist vermutlich ein Gedanke an dem sich grundsätzlich die Geister scheiden.

Die einzelnen Figuren näher betrachtet, sind vor allem die Handlungen der Charaktere trotzdem in sich schlüssig und plausibel dargestellt, gerade wenn man die möglichen und umgesetzten Entwicklungsstränge dieser bedenkt.

Dennoch mag einem die Geschichte insgesamt sehr berechenbar anmuten und Kate direkt tritt anfänglich zu introvertiert auf. In dieser langen Erzählphase wird konstant ein Frauenbild gezeichnet, dass einfach fern jeglicher meiner Ansichten ist. Ihr Harmoniestreben und das Offenkundige Fehlen des Eintretens für eine eigene Meinung zeugen davon. Auch die Familie der Protagonistin im Form ihrer Schwester und Mutter hätte ich beispielsweise unlängst in die Wüste verbannt. Erst im letzten Drittel des Romans gelangt die Handlung an ihren Wendepunkt und man sympathisiert nicht nur mit Kate, sondern wird ebenso von der nun richtig in Schwung kommenden Erzählung mitgenommen. Manchen mag dieser plötzliche Sinneswandel nach einer ausdauernden Trauerepisode eventuell zu rasant erscheinen, aber vielleicht bedarf es manchmal einfach des entscheidenden Funkes, sei es als Traum, bevor man ein neues Kapitel aufschlagen kann. Außerdem lassen sich definitiv weitere lobenswerte Aspekte finden.

Positiv hervorzuheben ist nämlich auf jeden Fall der wunderschöne, leichte Schreibstil, zu welchem sich im Übrigem beim Lesen hervorragend Snow Patrol’s Song „Chasing Cars“ eignet. Auch das Einbinden der vielen kleinen Details, so zum Beispiel der Erklärungen und Ausführungen hinsichtlich der Gebärden-Sprache oder dem Einblick in das Pflegesystem, sind rundum geglückt. Man erkennt dabei die gute Recherche-Arbeit und die vielen kreativen Ideen der Autorin. Das Konzept der Silberdollar mag zwar kitschig wirken, wurde jedoch konsequent liebevoll verfolgt. Ebenso stellen die Rezepte, zumindest am Ende der E-Book-Version, ein unerwartetes und tolles Gimmik dar.

Kristin Harmel schrieb somit glücklicherweise keinen klassisch-romantischen Liebesroman, sondern vielmehr ein Gesellschafts-Medley, dass wichtige Themenkomplexe beinhaltet und diese anspricht. Ein Buch, in dem sich bestimmt für jeden Geschmack etwas Spezielles findet, aber des meiner Ansicht nach, mehr ausgebauter und nicht nur schon vorausgesetzter Gefühle bedurft hätte.

Der Buch-Trailer:

Quotes:

  • „Ich wusste, schon bevor ich dir begegnete…“, murmelte er, als ich eben wieder in den Schlaf zu sinken begann. Ich lächelte. Das war die Art, auf die wir immer Ich liebe dich zueinander sagten, in unserer ganz eigenen Sprache. „… Dass ich für dich bestimmt war.“, erwiderte ich.
  • „Ich muss daran denken, wie Patrick und ich nicht weit von hier eine Münze ins Meer warfen, nachdem wir geheiratet hatten. Ein Dank an das Universum für das Beste, was mir je passiert ist, sagte Patrick. Ich frage mich, ob man das Universum um eine Erstattung der Münzen bitten darf, wenn das Leben nicht so verläuft, wie man es geplant hat.“
  • „[...] Das ist eines der Dinge, die ich an Musik liebe – dass dieselben Worte, dieselben Noten, für unterschiedliche Leute völlig unterschiedliche Dinge bedeuten können.“
  • „Bitte glauben Sie mir, wenn ich sage, dass sich nur chauvinistische Schweine von einer Frau abgestoßen fühlen, die essen kann. Ich persönlich finde es toll.”
  • Jedes Mal, wenn eine Lücke entsteht, wird sie von irgendetwas ausgefüllt, das dich anders macht, als du vorher warst. Es verändert den Lauf deines Lebens.
  • Ich glaube, ein Leben, in dem du dein Herz nicht für die Dinge aufs Spiel setzt, auf die es ankommt, ist eigentlich kein Leben, das es wert ist, gelebt zu werden.

Wertung: 4,5 / 7 Schreibfedern

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