Seelenriss (Hannah Winter)

(c) plainpicture / Stefan Freund; ZERO Werbeagentur München; FinePic München

Autor: Hannah Winter
Titel: Seelenriss
Verlag: Ullstein (Taschenbuch)
Erscheinungsdatum: 15. Februar 2013
Seitenzahl: 320
ISBN-10: 3548283675
ISBN-13: 978-3548283678

Rezension:

Der Kriminalroman ‘Seelenriss’ von Hannah Winter wartet mit einem spannenden Prolog aus der Sicht des vermeintlich ersten Mordopfers eines perfiden Serientäters auf. Der sehr viel
versprechende Anfang erfährt jedoch alsbald ein jähes Ende, da der Leser schon in den darauf folgenden Kapiteln erstmals mit der Protagonistin Lena Perters konfrontiert wird. Ihres Zeichens Profilerin (in Deutschland, selbst in der Hauptstadt, sollten ‘Profiler’ allerdings als ‘Fallanalytiker’ bezeichnet werden, möchte man zumindest die Details stimmig umsetzten), die eine Vesper fährt, in Berlin Mitte lebt und leider trotz der gut erzeugten Großstadtatmosphäre etliche Klischees bedient. Da wären beispielsweise ihr Informatiknachbar, der natürlich bereits eine Affäre mit der Ermittlerin führte und auf dessen neuste Eroberung Lena mit Argwohn, sowie Selbstzweifeln reagiert. Oder ihr Kollege Wulf Belling, zu dem sie ein freundschaftliches Verhältnis pflegt, ganz im Gegensatz zu Ben Vogt, einem wie aus dem dafür passenden Bilderbuch entsprungenen Gegenpart – Macho, konventionelle Ermittlungsmethoden-, und nicht zu vergessen den Polizeichef Drescher, sowie Lucy von der Staatsanwaltschaft, welche von vornherein, unvoreingenommen die junge Kriminalpsychologin, die ebenfalls eine Morddrohung erhalten hat, unterstützt.

Dem entgegen stehen der flüssige und prägnante Schreibstil, welcher sehr ansprechend ist, als auch die stets positiven Perspektivenwechsel der Handlung. Nach dem Einsteg mit dem ersten Opfer, erlebt man nämlich nicht nur die Ermittlungsarbeit direkt aus Lenas Sicht, sondern bekommt auch immer wieder kurze Einschübe des ‘modernen’, klassischen Täters geboten. Letzterer wird zwar zuerst weitgehend karikiert dargestellt, was sich jedoch im späteren Verlauf der Geschichte ändern soll, so dass seine Tatmotivation letzten Endes gut komplettiert werden kann.

Grundsätzlich geht es jedoch erst einmal um eine im ersten Trimester schwangere Frau, Lynn Mauarer, die ein ziemlich bewegtes Leben führte und schließlich, nachdem sie sich aus dem Fenster ihrer Wohnung gestürzt hat, Tod auf der Strasse vor ihrem Wohnhaus aufgefunden wird. Im kaum mehr vorhanden Gesicht der Toten kann man nur Rückschlüsse auf Säureeinwirkungen ziehen, alles
sieht nach einem Suizid aus, gegen dessen Theorie jedoch die kürzlichen Reisepläne des Opfers, sowie ein bei der Frau in der Wohnung gefundener Text sprechen.

»Tu, was ich dir sage. Oder ich töte dich.«

Bei der späteren Analyse des Beweismittels stellt sich heraus, dass dies nicht die erste Morddrohung war, es sich also nicht um einen Freitot handelt und ein Serienmörder anscheinend sein Unwesen treibt, womit die Ermittlungsarbeit im Prinzip im vollem Umfang beginnen.
Den Indizien folgend, auf dem Weg zu Pater Maximillian Sonnenberg, der in den vergangenen Wochen vor dem Ableben von Lynn Maurer häufiger Kontakt mir der jungen (HIV positiven) Maklerin pflegte und schon in Polen vor seiner Versetzung nach Berlin, Gläubige mit deren Beichtgeheimnissen erpresste, verlaufen die Spuren gegen Selbigen an diesem Handlungsstrang jedoch ins Leere. Womit auch der Leser erst einmal weiter an den Hintergründen und Zusammenhängen rätseln und mit spekulieren darf.

Noch mit Lena über den Tatverdächtigen philosophierend, ergeben sich schließlich Informationen über den Fund einer verstorbenen Maskenbildnerin, Ann-Kathrin Weiß, die ebenfalls in das Tatmuster passt. Parallel hierzu wird immer wieder die Sicht des Täters eingeflochten, welcher
unterdessen überraschenderweise mehr Tiefgründigkeit erlangt und der seinerseits wiederum mit dem Beseitigen eines zu neugierig geworden Nachbarn, sowie der Planung des nächsten ‘Schuld-Eingeständnisses’ beschäftigt ist. Auf der folgenden Erkenntnissuche gelangt Lena in die Praxis ihres Ex-Freundes, der als Kinderpsychologe tätig ist und ihr bei der Aufklärung des Falles jedoch weniger behilflich sein kann, als zunächst erwartet. Währenddessen ihr Partner sowohl mit bis dahin dem Leser unbekannten zwielichtigen Tauschgeschäften und dem Problemen seiner pubertären Tochter nach der Scheidung am kämpfen ist…
Bei der Hälfte des Buches angelangt, kommt es dann schließlich zum ersten direkten aufeinander Treffen der beiden Kontrahenten, der Jägerin und dem Gejagten. Oder doch dem Jäger und seiner weiblichen Beute? Was sich positiv auf den Inhalt auswirkt, da dieser nun überlegter im Gegensatz zu den anfänglich, oberflächlich geschilderten Ereignissen erscheint und die Geschichte somit eine stimmige Wendung erfährt.

Wie schon einmal aufgegriffenen rückt nämlich nun die Sichtweise des dritten Opfers in den Vordergrund. Ein junger Anwalt, der sich verloben möchte und eigentlich davor steht seinen zeit-intensivsten Fall zu gewinnen, wird auf die gleiche, wenn auch in der Brutalität gesteigerten, Art und Weise wie schon die vorigen Opfer, ermordet. Dabei stellt sich heraus, dass alle Verstorbenen die Tatsache gemein hatten, sich in ihrem Leben gerade in einer Umbruchphase zu befinden. Sowohl negativer, als auch positiver Natur. Lena, selbst gebeutelt vom persönlich physischen Leid, gelingt am Tatort derweil ein kleiner Durchbruch in dem Fall, welcher zunächst in einer Verfolgungsjagd endet, bei der sie dem Täter erneut sehr nahe kommt und deren Situation nur durch den Wink des Zufalls gerettet werden kann.

Vom diesem Punkt an ist der Leser nicht nur Bellings mit Beweisen unterlegten Verdächtigungen gegenüber dem Pater und Lenas privaten Ermittlungen, auch mit Hilfe nicht ganz uneigenütziger und ebenso illegaler Informationen ihres Nachbarn, sowie später der Unterstützung ihres Exfreundes (der letztes Endes ein wichtiges Puzzelstück zusammenfügt) auf den Fersen, sondern man erlebt auch wie der Peiniger sein viertes Opfer drangsaliert und foltert, was selbst durch das plötzliche Erscheinen des Ehemannes der vermeintlich zu Büßenden, nicht verhindert werden kann.
Außerdem erfährt man, dass Professor Wallaus, der behandelnde Psychiater des zweiten Opfers und selbst nicht im Besitz einer vollkommen rein-weißen Weste, wohl auch vor einem persönlichen Wendepunkt steht. Aber hat tatsächlich der von der Presse als Säure-Killer bezeichnete Täter, hier
ebenfalls seine Finger im Spiel?

Temporeiche Szenen mit emotional gut umschriebenen Hintergründen bestimmen so letzten Endes das spätere Bild der Kapitel des Romans. Bis die Protagonistin schließlich auf die Verbindung zwischen den Ermordeten stößt, so dass sie Rückschlüsse auf den Täter ziehen kann und das Buch seine Pforten wieder für den Leser mit einem Aufgebot an Polizeieinsatzkräften, einer dramatischen Wende der Ereignisse, sowie einem persönlichem Schicksalsschlag beziehungsweise einen Neuanfang in eine offene Zukunft für die einzelnen Charaktere, schließt.

Insgesamt zwar ein durchwachsener Lesegenuss, der sich aber definitiv zum Schmökern für Zwischendurch eignet und für deutsche Kriminalroman Fans ansprechend ist!

Wertung: 3,5 /7 Schreibfedern
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Ein Gedanke zu “Seelenriss (Hannah Winter)

  1. Fand die Fortsetzung und auch Opfertod sehr spannend, da hast du Recht. Mal schauen, wann es wieder einen neuen Fall für Lena geben wird…

    LG

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