Das Haupt der Königin (Edward Marston)

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Autor: Edward Marston
Titel: Das Haupt der Königin
Übersetzer: Benno F. Schnitzler
Verlag: Goldmann
Erscheinungsdatum: Februar 1998
Seitenzahl: 252
Originaltitel: The Queen’s Head
ISBN-10: 3442412919
ISBN-13: 978-3442412914

Rezension:

Edward Marston präsentiert mit dem „Haupt der Königin“ einen historischen Kriminalroman, dessen Handlungszeit um 1580 im alten England liegt. Hintergrund sind politische Umbrüche und dynastische Änderungen, die von Heinrich dem Achten beziehungsweise in Ermangelung seiner männlichen Nachkommenschaft initiiert wurden und welche Thronfolgestreitigkeiten, sowie eine engagierte Verfolgung von Katholiken zur Folge hatten.

Einige Zeit vor der eigentlichen Geschichte rund um die Theatergruppe Lord Westfield’s Men mit dem Frontmann Lawrence Firethorn, sowie dem Impresario und Regisseur Nicholas Bracewell, wird Mary, Königin von Schottland und Leitfigur der englischen Katholiken, auf königlichen Befehl hin geköpft. Dieses Geschehen, so unzusammenhängend es auch anfänglich wirken mag, gewinnt insofern an Bedeutung, als dass es später ein wichtiger Bogen zum Schlussakt des Buches hin schlägt.
Nach einer knappen Erstvorstellung der wichtigsten Figuren beginnt die Exposition der Handlung: in Begleitung des Impresarios trifft sich ein Schauspieler der Truppe mit einem alten Freund in einem Wirtshaus. Kurz darauf gerät der temperamentvolle Mann mit einem anderen Gast in Streit und wird, trotz der Intervention seines Freundes, getötet. Mit seinem letzten Atemzug lässt er Nicholas Bracewell schwören, dass dieser den Mörder jagen und finden wird, ein Versprechen, das im Verlauf der Erzählung immer im Hinterkopf des Regisseurs bleibt.

Zunächst muss sich die illustere Gesellschaft aber mit drängenderen Fragen, wie beispielsweise der nach dem Ersatz für den toten Schauspieler befassen, da selbiger eine tragende Rolle im kommenden Stück inne hatte. In Absprache mit den Anteilseignern rund um Firethorn bemüht sich Bracewell jedoch den Freund des Toten, Samuel Ruff, seines Zeichens ebenfalls Schauspieler, zur Arbeit mit Lord Westfield’s Men zu überreden.

Trotz weiterer Widrigkeiten, die zu einem kleinen Teil dem Konkurrenzkampf mit einer rivalisierenden Theatertruppe namens Lord Banbury’s Men und zu einem größeren Teil den Rückschlägen bei der Suche nach dem Täter geschuldet sind, haben die Akteure wachsenden Erfolg. Zuletzt erhalten sie sogar eine Einladung zum Vorspiel am königlichen Hof. – Am Tag der Veranstaltung schließt sich durch das rezitieren des Hinrichtungsthemas und dem Auflösen des Dramas auch der Spannungsbogen des Romans zum Prolog, da nun Königin Elizabeth um ihr Haupt bangen muss.

Was meinen persönlichen Eindruck betrifft, so bin ich der Meinung, dass der Autor einen spürbaren Kompromiss zwischen mutmaßlicher historischer Realität und wohl den Lesern geschuldeter Erwartungshaltung gefunden hat. Zum einen ist das Ambiente mit den Beschreibungen der Handlungsorte stimmig, denn sowohl die hygienischen Verhältnisse, das soziale Umfeld, als auch die damalige Politik wurden treffend charakterisiert. Zum anderen sind Ereignisse wie die Seeschlachten mit der Armada der Spanier 1588, welche vernichtend geschlagen wurde, geschickt eingewoben. Ereignisse, welche den Figuren im Übrigen auch einen sehr glaubwürdigen Handlungsantrieb geben.
Negativ hingegen fallen einem die ausgesprochen klischeehaften, stellenweise aber auch bewusst überspitzten Rollenbilder, wie beispielsweise die des Frauenhelden Lawrence Firethorne, der wiederum oft von seiner Ehefrau Margery zurechtgestutzt wird, auf. Für die gewisse Anzüglichkeit mag die Homo-Pädosexualität des Schauspielers und Anteilseigners Barnaby Gill herhalten, außerdem, als Anklage gegen antiquierte gesellschaftliche Modelle der Kindererziehung, das Verhalten von Elf,- bis Fünfzehnjährigen Schauspielschülern untereinander, welche aus Neid vor einer Rollenzuweisung nicht zögern, zu versuchen, den Jüngsten von ihnen so schwer zu verletzen, dass er arbeitsuntauglich wird.

Über all dem schwebt ein weiser Geist in der Gestalt des gelassenen Nicholas Bracewell, der seine Seelenruhe nach eigenem Bekennen aus einer für den Leser im Unklaren bleibenden Vorgeschichte als Seemann unter Francis Drake schöpft. An der Ausgestaltung dieser Figuren mag ein Blick auf die Vergangenheit durch eine moderne Gesellschaftsbrille verantwortlich sein. Es tut der Spannung beim Lesen aber keinen Abbruch, ganz im Gegenteil, Edward Marston verwendet diese Strukturen gekonnt für ein in seiner Gesamtheit rundes Werk, dass als Kurzweil zu lesen Spaß macht.

Wertung: 4 /7 Schreibfedern

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