Der Magier von Montparnasse (Oliver Plaschka)

(c) Isabelle Hirtz & HildenDesign, München

Autor: Oliver Plaschka
Titel: Der Magier von Montparnasse
Verlag: Klett-Cotta; 3. Hardcover Auflage
Erscheinungsdatum: September 2010
Seitenzahl: 427
ISBN-10: 3608938745
ISBN-13: 978-3608938746

Rezension:

‘Der Magier von Montparnasse’ spielt im Paris der ausgehenden, goldenen Jahre des 20. Jahrhunderts. Im Herzen des Stadtviertels Montparnasse stehen die Handlungsorte, eine Gaststätte mit dem Namen „Le Jardin“, welche von einem Ehepaar, Alphonse und Esmée, betrieben wird, ein Kabarett namens „Le Bobino“, der Friedhof von Montmartre mitsamt seinem Eingang zu den Katakomben und natürlich auch die größeren Straßen des damalig rege besuchten Viertels, das stets wunderbar lebhaft umschrieben wird.

Eingeführt in die direkte Handlung, der wechselnden Perspektiven, jeweils unter dem Namen des Erzählenden als Überschrift, in der Ich-Erzählform geschrieben, wird man durch den Zauberkünstler Ravi, welcher mit seiner Assistentin Blanche im Kabarett Le Bobino seine abendliche Vorstellung abhält. Bei dieser missglückt jedoch eine Entfesselungsnummer, weshalb Ravi, der nicht nur ein Zauberkünstler ist, sondern tatsächliche Magie anwenden kann, zur Rettung des Lebens seiner Assistentin und sich selbst gezwungen ist, einen ebensolchen Zauber zu ihrer Befreiung einzusetzen.
Nach dem also erfolgten Bruch der wichtigsten Regel der im Buch vorherrschenden, ominösen Societé, einer Gesellschaft der Magier, versammeln sich im Le Jardin rund um Ravi und die in einen komatösen beziehungsweise nun in einen märchenartigen Tiefschlaf gefallenen, Blanche mehrere, weitere Figuren. Man schließt Bekanntschaft mit dem Briten Mr. Barneby samt seiner Begleitung Céleste, sowie die – durch fehlende Bauchnabel und Brustwarzen in Einem und durch Kleinwuchs im zweiten Fall – als Nichtmenschen auffallenden, Orlando und Chloderic. Die gesamte Gesellschaft ist für Ravi sofort als abgesandte Beobachter der Societé für die Untersuchungen des Vorfalls erkennbar.
Die Kellnerin Justine und der einen Verleger suchende, junge Schriftsteller Gaspard stolpern im folgenden Verlauf gleichfalls in die Handlung hinein, sind aber eindeutig nur zwei junge Menschen, die gegen Ende noch ihren ganz persönlichen Weg finden werden.

Im Laufe der Sieben Tage nach dem ausgangspunktgebendem Geschehen im Bobino wird der Leser also von Ravi und einigen anderen Hauptfiguren durch unterschiedliche Zeitebenen der immer selben, aber doch so unterschiedlichen Geschichte geführt. Bis weit über die Hälfte des Romans werden viele Rätsel angezeigt, insbesondere im Binnenverhältnis der Protagonisten untereinander. Doch Erklärungen für die Bekanntschaft von Céleste mit Mr. Barneby, dem Schlaf von Blanche, zunächst mysteriösen Traumeingebungen bei Justine, unnatürlichen Verhalten von Mäusescharen im Keller des Le Jardin, Meinungskontroversen zwischen dem Betreiberpaar der gleichen Gaststätte, Geheimnissen rund um Uhren und auch der Herkunft von Ravi selber, werden geballt erst im allerletzten und zugleich überraschensten Teil des Buches aufgelöst; der Wendepunkt und Spannungsbogen wird schließlich mit dem durch Mr. Barneby verübten „Mord“ an Orlando erreicht.
Der Autor streut jedoch schon im Vorfeld stets deutliche Hinweise auf die Wichtigkeit des Konzeptes der Zeit, mehrfach thematisiert durch Ravi, Mr. Barneby und andere, die die Unwichtigkeit der Absolutheit von Alter oder laufenden sprich nicht intakten Taschenuhren hervorheben. Gleichfalls wird eine „Heptalogie der Geschehnisse“ gezeichnet, denn die Handlung dauert nicht nur sieben Tage, sondern Ravi und Blanche arbeiten bereits sieben Jahre miteinander. Alles und jeder ist verknüpft, ein Ereignis hängt praktisch mit dem ihm Vorangegangenen zusammen.

Die Basis für den Roman stellt letzten Endes die Schöpfungsgeschichte, nach der Bibel und im übertragenem Sinne ein Kampf zwischen dem Paradies und der Hölle, dar. Neu verpackt in herrlichen Bildern, sowie Eindrücke der Metropole der Liebe, gespickt mit raffinierten Metaphern und stimmig in die Erzählstränge eingewobenen Aliterationen. Besitzt man die Muße, sich durch die zuerst unzusammenhängend erscheinenden Kapitel zu lesen, wird man schließlich mit einem logischen, sowie zugleich spannend, unerwarteten Finale, welches jedoch das Mosaik komplettiert, belohnt.

Insgesamt somit ein definitiv empfehlenswertes Buch, nicht nur für Anhänger des Phantasie-Genres.

Wertung: 4,5/7 Schreibfedern
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